4. Zur Methode

Die sich stellenden Fragen sollen im Gesamtzusammenhang der vorrausschauenden Familienvermögensplanung mit Hilfe standardisierter Fragenkataloge und auf der Grundlage typisierender Fallbeispiele jeweils für die drei angesprochenen Rechtsordnungen aufgearbeitet, systematisiert und analysiert werden. Auf dieser Grundlage soll dann eine rechtsvergleichende Studie der drei  Länder unternommen werden.

Zunächst soll die Untersuchung auf die drei Länder und Rechtsordnungen Österreich, Deutschland und Schweiz konzentriert werden. Der Grund liegt darin, dass für sie nicht nur eine jahrhundertelange parallele Regelungstradition, sondern zugleich eine große kulturelle Nähe besteht. Damit können zum einen Parallelen besonders deutlich herausgearbeitet werden. Umgekehrt versprechen aber unterschiedliche Regelungen einen besonderen Ertrag im Vergleich und in der Analyse der Wirkungsweise. Gerade im feingliedrigen Vergleich im Detail liegen die große Erkenntniskraft des Rechtsvergleichs und ein echter Erkenntnisgewinn. Schließlich soll die intensive Beschäftigung mit drei Rechtsordnungen vor allem als Erprobung und erste Testphase für ein schon jetzt geplantes, später folgendes, größeres, auf mehrere Rechtsordnungen ausgelegtes Forschungsprojekt dienen.

Die Aufarbeitung der Themenstellung für die nationalen Rechtsordnungen ist zunächst mit den Arbeitsinstrumenten klassischer Dogmatik zu bewältigen. Es geht darum, die gesetzlichen Regelungen, Anwendungsprobleme, Judikatur und Schrifttum zu erfassen, in den Kontext der Familienvermögensplanung zu stellen und kritisch zu diskutieren. Dieser Arbeitsabschnitt soll durch Fragenkataloge so vorstrukturiert und geleitet werden, dass die Ergebnisse unmittelbar für den nächsten Abschnitt, die Erarbeitung der rechtsvergleichenden Studie zur Verfügung stehen. Eine weitere Fokussierung der „Länderarbeit“ soll dadurch erreicht werden, dass bestimmte typische Fallkonstellationen zur Diskussion gestellt werden. Die Fragenkataloge sollen gemeinsam erarbeitet und verabschiedet werden. Als Vorbild könnten die Fragen zu Company Law and Law of Succession dienen, deren Bearbeitungen vielversprechende Ergebnisse erbracht haben, die auch für das vorliegende Projekt von Nutzen sein werden.1 Parallel zu diesem Arbeitsprogramm soll die Kautelarpraxis der Familienvermögensplanung untersucht werden. Besondere Aufmerksamkeit soll auch methodischen Fragen der planenden Vorausschau gewidmet werden, die bisher vom rechtswissenschaftlichen Schrifttum völlig vernachlässigt werden, nicht nur im Bereich der Familienvermögensplanung. Die rechtswissenschaftliche Betrachtung konzentrierte sich bisher vielmehr auf die Analyse, Durchdringung und Systematisierung bestehender Problemfälle durch Aufarbeitung streitiger und gerichtsbekannter Fälle. Das Forschungsvorhaben geht naturgemäß ebenfalls von der konkreten Fallbetrachtung aus. Als die eigentliche innovative Leistung soll aber herausgearbeitet werden, wie sich die Praxis den vorhersehbaren oder vorhergesehenen Problemen tatsächlich stellt und wie sie Lösungen entwickelt, die belastbare Gestaltungen hervorbringen soll. Dabei soll auch in den Blick genommen werden, ob die Praxis ihrerseits die Auslegung bestehender Gesetze und rechtspolitische Vorhaben beeinflusst.

Wie sich die Projektpartner die Arbeit konkret vorstellen, zeigt exemplarisch folgender Fall, der rechtsvergleichend diskutiert und einer Lösung zugeführt werden soll:

„Ein verheirateter Unternehmer im A von 52 Jahren hat ein seit 10 Jahren gut laufendes Unternehmen. Er hat

  • keine Kinder
  • drei minderjährige Kinder
  • drei erwachsene/volljährige Kinder.

Er ist

  • als Einzelunternehmer tätig;
  • in Form einer GmbH organisiert;
  • an einer Personengesellschaft beteiligt
  • in Form einer Stiftung organisiert.“

Als zweiter Fall soll etwa folgender Fall dienen:

„Der Unternehmer ist 74 Jahre alt; alle anderen Voraussetzungen sind gleich.“

Insgesamt sollen zehn Fälle rechtsvergleichend und vorausschauend planend im Lichte der jeweiligen Grenzen untersucht und die Reichweite der Gestaltungsmöglichkeiten ausgelotet werden. Die Grundfragen lauten:

  • Was will dieser Mann im Fall seines Todes? (Fragen der Gestaltungsmöglichkeiten – Privatautonomie)
  • Kann er es? (Frage der gesetzlichen Grenzen)
  • Sind diese Grenzen sinnvoll nach den dahinterstehenden Konzepten? (Die Grenzen folgen aus dem Erbrecht, Gesellschafts- und Familien- und Eherecht)

Vermutungen für den Fall:

„Der Mann will

  • das Unternehmen erfolgreich erhalten, dh dass es dauerhaft der Versorgung der Familie dient;
  • nur die Familienversorgung, die er mit Bargeld oder Finanzinstrumenten zu erreichen sucht;
  • dass das Unternehmen verkauft wird, um den aktuellen Wert für die Familie zu realisieren (bei starker Personenbezogenheit);
  • die Erhaltung des Unternehmens, um dauerhaft die Chance zu erhalten, Erträge für die Familie zu erwirtschaften;
  • die Verabsolutierung des Unternehmens und nur die Erhaltung als solches.“

4.4 Die bereits geführten Gespräche erlauben die Vermutung, dass die gleichen Sachprobleme konstruktiv völlig unterschiedlich aufgegriffen, bewältigt und in der Praxis vorausschauend beraten und angewendet werden. Dabei spielt möglicherweise eine „Pfadabhängigkeit der Beratungspraxis“ eine große Rolle. Wo die Schwierigkeiten und Grenzen liegen, ist vielfach einfach oder allgemein bekannt. Spannend, und hier setzt das Forschungsprojekt an, ist die entscheidende Frage: Wie gehe kann mit diesen Grenzen umgegangen werden, und was kann gestaltet werden, wenn etwa

das Unternehmen erhalten und der Pflichtteil nicht umgangen werden soll;

  • eine Einigung unter den Erben zu Lebzeiten erzielt wird
  • eine Einigung unter den Erben im Zeitpunkt des Todes des Unternehmers erzielt wird;
  • keine Einigung zustande kommt.

Damit ist die Grundlage für das Problembewusstsein und die Fähigkeit der Fragenformulierung gegeben, welche die nunmehr beabsichtigte neue wissenschaftliche Methode ermöglichen soll. Diese neue Beschäftigung mit der Entscheidungsfindung, Konzeption und Vorbereitung von Vermögensplanung setzt einen intensiven Dialog mit aktiv tätigen Praktikern voraus. Zudem wird auf der Grundlage veröffentlichter Mustersammlungen und Handbücher die notwendige Vorarbeit geleistet. Damit wird auch deutlich, dass die Projektpartner mit unterschiedlichen Kreisen von Praktikern und außenstehenden Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zusammenarbeiten werden, um genau diese Fragen präzise zu formulieren und sowohl methodisch in der Entscheidungsfindung und Gestaltungsformulierung als auch in der Problemstellung Inspiration zugleich aber auch Supervision und Kontrolle zu erhalten. Dies setzt voraus, dass derartige Kontakte einerseits laufend im kleinen Rahmen aber auch in periodischen Abständen in Form von Diskussionsrunden organisiert und diese dann regelmäßig in Konferenzen ausgetauscht werden. Ein Ziel dieser Diskussionsrunden ist unter anderem die Erarbeitung von best-practice Modellen für die jeweiligen Fälle und Rechtsordnungen.


[1] Siehe insbesondere den Länderbericht Deutschland von Sanders.