1. Familienvermögensplanung – Was ist das?

Sparen, versichern, anlegen; das ist zutiefst menschlich. Wer mehr hat, als er zum täglichen Überleben braucht, denkt über Erhaltung und Vermehrung seiner Güter nach; die Ameise der Fabel ist den meisten Menschen näher als die Lilien auf dem Feld der Bibel. Sie streben nach langfristiger Vorsorge für Krankheit, Alter und Notfälle, nicht nur für die eigene Person, sondern auch für die nächsten Menschen, Ehepartner, Kinder, Enkelkinder und möglicherweise die eigenen Eltern (zusammengefasst: für die Familie). Dies ist volkswirtschaftlich grundsätzlich erwünscht, schon weil es die sozialen Netze entlastet; die Forderung nach mehr privater Vorsorge ist allgegenwärtig. Gleichzeitig wird das Staatsversagen – iSd Sozialstaatsgedankens – immer größer, sodass ein Wunsch nach Vermögensbindung und Vermögenserhaltung im Familienbund, schon alleine zur finanziellen Vorsorge aller Familienmitglieder, besteht.

Geht es um mehr als Sparkonten oder andere Anlagen, die leicht zu Geld zu machen und zu teilen sind, oder wurden bleibende Werte in Form von Vermögensgesamtheiten aufgebaut (Liegenschaften, Unternehmen, Gemäldesammlung, Schmuck), dann tritt neben das Ziel der Vorsorge für Bedarfssituationen häufig die Motivation der dauerhaften Bestandsicherung des eigenen „Lebenswerkes“ über die eigene Lebensspanne hinaus. Dieses soll der Familie, der dann auch Nutzungsmöglichkeiten oder Erträge (Liegenschaften, Unternehmen) zugute kommen, oder aber auch im Interesse der Öffentlichkeit (Gemäldesammlung) erhalten bleiben. Das eigene Vermögen soll also über die eigene Lebensspanne hinaus – im Sinne des ursprünglichen Vermögensinhabers – als „Sondervermögen“ konstituiert und perpetuiert werden. Eine entsprechende Perpetuierung ist besonders herausfordernd, wenn es um unternehmerisches Vermögen geht: Als dynamische, sich notwendig ständig verändernde Einheit lässt sich unternehmerisches Vermögen nicht einfach durch ordnungsgemäße Verwaltung „erhalten“, sondern bedarf der Führung durch geeignete Persönlichkeiten, die möglicherweise zum Zeitpunkt der Planung noch gar nicht vorhanden und unter Umständen, die im Zeitpunkt der Planung noch nicht vorhersehbar sind1.

Die Umsetzung dieses Anliegens einer über die eigene Person hinausreichenden Vorsorge sowie einer generationenübergreifenden Perpetuierung von Vermögensgesamtheiten in ökonomisch und juristisch nachhaltig belastbare Strukturen ist Gegenstand des Projektes. Sie soll im folgenden schlagwortartig und notwendig verkürzend als Familienvermögensplanung bezeichnet werden; dieser Arbeitsbegriff soll dabei sowohl den Prozess der planenden Überlegung und Entscheidung als auch das juristische Ergebnis dieses Prozesses abdecken. Die juristische Dimension der Familienvermögensplanung ist derzeit vor allem ein Thema und ein zentrales Betätigungsfeld für die Kautelarpraxis. Die Wissenschaft hat sich zwar mit einzelnen Rechtsproblemen der Familienvermögensplanung befasst, meist aus der Perspektive von Anspruchspositionen einzelner Rechtssubjekte; es fehlt aber bisher eine wissenschaftliche Gesamtschau und Durchdringung aus der Perspektive der vorausschauenden Planung. Sie soll mit dem vorliegenden Projekt für Österreich, die Schweiz und Deutschland geleistet werden. Der Fokus (zunächst) auf diese drei Länder verspricht schon deshalb reichen Ertrag, weil die einschlägigen Regelungssysteme im Ausgangspunkt ähnlich und damit auch präzise vergleichbar sind. Es bestand bereits nach ersten gemeinsamen Gesprächsrunden der Projektpartner mit Experten für einzelne Problembereiche und erfahrenen Praktikern der Familienvermögensplanung die Vermutung, dass nicht nur erhebliche Unterschiede in der juristischen Konstruktion, sondern bei genauerer Analyse auch in den konzeptionellen Grundlagen, bestehen. Überdies kann das Projekt als Referenzmodell für ein mögliches Folgeprojekt dienen, in dem auch weitere europäische oder auch außereuropäische Rechtsordnungen einbezogen werden sollen.


[1] Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen (1998) 28 ff.